Rechtliches

EA-Telefonnummer: 01525 188 611 9

Es wird einen Ermittlungsausschuss (EA) geben. Diese Nummer solltet ihr unbedingt dabei haben in der Aktion. Wenn du in Gewahrsam kommst, ruf diese Nummer an und sag wo du festgehalten wirst, was dir vorgeworfen wird und ob noch mehr Menschen in Gewahrsam sind. Sag NICHTS zu deinen Personalien (wenn du diese verweigert hast) oder dazu, was du oder andere getan oder nicht getan haben.

EA-ID-Nummer: Falls du deine Personalien verweigern willst, kannst du dir hier eine anonyme Nummer erzeugen, die du im Fall deiner Ingewahrsamnahme dem EA mitteilst. Anhand der Nummern kann der EA nachvollziehen, wie viele Aktivist*innen noch festgehalten werden.

Meldet euch unbedingt zeitnah bei uns, wenn ihr nach der Aktion Post o.ä. von Repressionsbehörden bekommt. Schreibt uns dafür an antirep@ambodenbleiben.de (PGP-Key).

Unterschreibt nichts ohne Rücksprache – Gemeinsam sind wir stark!

Allgemeine rechtliche Hinweise

Wir möchten mit einer bunten, fröhlichen und kreativen Blockadeaktion die Normalität des Fliegens infrage stellen. Wir werden dorthin gehen, wo Fliegen das Normalste der Welt zu sein scheint und zeigen, dass es das nicht ist. Unser Ziel ist die Luftfahrtindustrie und die Politik, die deren Macht und Profitinteressen erhält und unterstützt. Wir glauben fest daran, dass wir einen Schritt weiter gehen müssen, um die notwendigen Veränderungen hin zu einer klimagerechten Lebensweise herbeizuführen. Deshalb werden wir bewusst Regeln brechen, um auf die Missstände der Klimapolitik hinzuweisen. Daher kann es zu Repressionen kommen. An dieser Stelle findest du einige Hinweise, welche strafrechtlichen Vorwürfe möglicherweise gegen dich erhoben werden, wenn du dich an einer Aktion zivilen Ungehorsams beteiligst. 

In diesem Jahr sind neben den üblichen rechtlichen Fragen auch Inhalte des Infektionsschutzgesetztes relevant. Die entsprechenden Infos findest du, wenn du folgenden Reiter ausklappst:

Rechtliches bzgl. der Corona-Pandemie

Es ist schwer absehbar, wie die Corona-Situation sich auf das Verhalten der Polizei sowie auf mögliche Repressionen auswirken wird. Klar ist: die Pandemie schafft weitere Möglichkeiten, um Geldstrafen zu verhängen und Versammlungen aufzulösen:

Geldstrafen kann es zum Beispiel für das Nichttragen einer Mund-Nasen-Bedeckung geben (50-500 €) oder für das Nichteinhalten des Mindestabstands zu Anderen (100-500 €). Die ausführlichen Corona-bezogenen Bußgeldregelungen findet ihr im Bußgeldkatalog für Berlin bzw. Brandenburg.

Zudem ist die Anzahl von Menschen, die sich für “private Veranstaltungen” an einem Ort aufhalten dürfen, stark eingeschränkt, in Innenräuen noch mehr als draußen. Für Versammlungen gibt es nochmal eigene Regelungen.

Informiert euch unter https://www.berlin.de/corona/faq/ (Berlin) und https://kkm.brandenburg.de/kkm/de/ (Brandenburg) über die aktuellsten Regelungen.

Sollte es im Rahmen unserer Aktion zur Verhängung von Bußgeldern kommen, lassen wir euch natürlich nicht alleine. Meldet euch auf jeden Fall bei antirep@ambodenbleiben.de (PGP-Schlüssel), dann schauen wir gemeinsam, wie wir etwaigen Bußgeldern solidarisch begegnen können.

Unter den folgenden, allgemeineren Punkten sind auch solche, die für unsere geplante Aktion unwahrscheinlich sind. Es ist jedoch immer gut, die eigenen Rechte und mögliche Vorwürfe vorher gut zu kennen. Die Aktion findet an einem Flughafen statt. Flughäfen werden oft als sicherheitstechnisch besonders sensible Ort wahrgenommen, was sich auf das Verhalten aller Beteiligten auswirken kann. Wichtig ist jedoch auch zu wissen, dass Flughäfen öffentliche Räume sind, und rechtlich den gleichen Status haben wie z.B. ein Bahnhof. Mensch darf sich dort aufhalten und es gilt das Versammlungsgesetz. Dazu finden sich auch Infos weiter unten im Text. Wenn du dir die Infos durchliest, solltest Du erinnern, dass die Regeln/Gesetze die wir in einer Gesellschaft aufstellen und auch deren Interpretationen immer aus dem Machtgefüge der Gesellschaft entstehen und nicht in einem luftleeren Raum. Mache dir deshalb bitte bewusst, dass je nach Situation auch andere Vorwürfe konstruiert werden können, die über das hier Dargestellte hinausgehen (oder geringer sind).

Übersicht über mögliche Vorwürfe

Ordnungswidrigkeiten

  • Teilnahme an aufgelöster oder verbotener Versammlung
  • Sitzblockade und Wegtragen lassen 

Straftaten

  • Hausfriedensbruch 
  • Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
  • Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte 
  • Landfriedensbruch 
  • Nötigung 
  • Leitung verbotener Versammlung
  • Störung einer angemeldeten Versammlung 
  • Sachbeschädigung 
  • Vermummung 
  • Körperschutz (passive Bewaffnung) 

Rechtliche Hinweise 

  • Es ist nicht verboten an einer unangemeldeten Demonstration teilzunehmen 
  • Eine Sitzblockaden kann als Versammlungsform akzeptiert werden 
  • Auch unangemeldete Versammlungen unterliegen der Versammlungsfreiheit 

1. Informationen zu möglichen Vorwürfen

Mögliche Blockadepunkte können sich in öffentlichem oder privatem Raum befinden, sowie öffentliche oder private Straßen sein. Das bedeutet unterschiedliche Repressionsformen und strafrechtliche Konsequenzen. Flughäfen sind in Deutschland zu großen Teilen in öffentlicher Hand. Nach dem Fraport-Urteil von 2011 gilt auch auf der “Landseite” von Flughäfen, dem ohne Bordkarte zugänglichen Bereich vor den Sicherheitskontrollen, Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Dennoch rechtfertigt die besondere Störanfälligkeit des Flughafens stärkere Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, als sie im öffentlichen Straßenraum zulässig sind. Ein Flughafen hat z.B einen eigenen Sicherheitsdienst, der anders vorgehen kann als Polizist*innen. 

Sitzblockaden

Sitzblockaden können als Versammlungsform akzeptiert werden, und wären also grundsätzlich erst mal legal, bis die Polizei die Sache auflöst. Dies kann dann gewaltsam geschehen, und mit Ingewahrsamnahmen und weiteren juristische Folgen verbunden sein. Je nach Ort der Blockade können auch andere Vorwürfe seitens der Polizei gemacht werden.

Wenn du eine Straße blockierst, die nicht offensichtlich auf Privatgelände ist, kann dir Nötigung vorgeworfen werden nach § 240 StGB. Dies ist ein typischer Vorwurf bei und nach Blockaden, denn durch eine Blockade soll ja in der Tat etwas verhindert werden – sei es die Zufahrt zu einem Gelände, eine Abschiebung oder Zwangsräumung oder die Arbeit einer Maschine. Der Wortlaut des Gesetzes macht nicht klar, ab wann eigentlich etwas eine Nötigung ist. Bei reinen Sitzblockaden ist es unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, deshalb verurteilt zu werden, die Rechtsprechung ist hier uneinheitlich. Die sogenannte „Zweite-Reihe-Rechtssprechung“ besagt zwar, dass bei einer Blockade z.B. das erste Fahrzeug nicht zum Anhalten genötigt wird, stattdessen aber das zweite (weil dann nicht nur die blockierenden Menschen selbst, sondern auch ein weiteres, auch theoretisch unüberwindbares Fahrzeug davor steht), ist aber umstritten.

Nötigung kann jedoch auch nur dann vorgeworfen werden, wenn es keine Möglichkeit gibt z.B. einen vertretbaren Umweg zu nehmen, um die Blockade zu umgehen/zu umfahren.

Häufig wird eine Versammlung formal von der Polizei aufgelöst, theoretisch musst du dich dann entfernen. Wenn du das nicht machst und die Auflösung korrekt war, kann dir das als Ordnungswidrigkeit (§ 13 (2) VersG und § 29 VersG) ausgelegt werden und du bekommst eventuell einen Bußgeldbescheid, ähnlich wie beim Falschparken. Das können bis zu 500 Euro sein, aber auch deutlich weniger. 

Zusätzlich können je nach Ort der Sitzblockade weitere Vorwürfe dazu kommen. Wenn du auf Privatgelände bist, beispielsweise Hausfriedensbruch.

Sachbeschädigung

Eine Sachbeschädigung setzt eine “Substanzverletzung“ voraus. Mit Kreide malen zählt da nicht drunter, weil sie leicht abwaschbar ist. Farbe, die nicht abwaschbar ist, wird als Sachbeschädigung gewertet. Mehr als kleine Geldstrafen gibt es in der Regel für ein bisschen Farbe nicht. Du kannst jedoch möglicherweise zivilrechtlich für Schadensersatz her- angezogen werden. Wenn du etwas Zusätzliches anbringst und dabei nichts kaputtmachst, durfte das auch keine Sachbeschädigung sein.

Hausfriedensbruch – § 123 StGB (Strafgesetzbuch) 

Hausfriedensbruch ist eine Verletzung des Hausrechts. Diese Straftat begeht, wer widerrechtlich in private Räumlichkeiten oder befriedetes Besitztum (z.B eingezäuntes Gelände) eindringt oder sich dort aufhält. Es sollte auch erkennbar sein, dass das Betreten nicht erwünscht ist – z.B. durch Mauern, Türen (auch nicht verriegelte), durchgezogene Wälle, durchgehend zu erkennende Beschilderung (sofern die nicht vorher verschwunden ist) oder durch Zäune (auch wenn die z.B. vereinzelte Lücken aufweisen). 

Dies gilt ebenfalls für zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmten Räumen, wie etwa U-Bahnstationen oder Flughäfen. Ein Hausfriedensbruch kann bereits vorliegen, wenn eine Person lediglich mit einem Teil des Körpers in geschützte Räume gelangt, oder z.B einen Fuß in die Eingangstür stellt. Einfach auf der Landseite eines Flughafens zu sitzen reicht in der Regel nicht aus, um den Vorwurf Hausfriedensbruch zu erheben. Dazu könnte es jedoch kommen, wenn der Hausrechtsinhaber ein Hausverbot erteilt und Du dich dem widersetzt. Hausfriedensbruch hat einen Strafrahmen von 10 bis 30 Tagessätzen. Es hängt jedoch immer auch vom zuständigen Gericht ab, welche Strafe erteilt wird. 

Durchfließen / Durchbrechen von Polizeiketten

Manchmal kann es in Aktionen dazu kommen, dass die Polizei den Weg versperren will und sich euch vereinzelt oder in teilweise engen Ketten (zu mehreren hintereinander) entgegenstellt. Wie du damit praktisch umgehen kannst, lernst du in den Aktionstrainings. Wir konzentrieren uns hier auf die juristischen Hinweise. Bei dem wie auch immer gearteten Überwinden solcher Polizeiketten, kann es häufig zu den folgenden Vorwürfen kommen:

  • Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) 
  • Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB)
  • Landfriedensbruch (§ 125 StGB) 

Die genannten Delikte sind häufig angewandte Vorwürfe, die die Polizei gerne nutzt, um eigene Gewalt als notwendige Reaktion zu entschuldigen unabhängig davon ob Betroffene sich tatsächlich gewehrt haben oder nicht.

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte § 113 StGB 

Laut Rechtsprechung braucht es für eine Verurteilung wegen §113 StGB eine „aktive Tätigkeit gegenüber dem Vollstreckungsbeamten mit Nötigungscharakter“. Ein rein passives Verhalten gegenüber der Polizei erfüllt den Tatbestand von §113 StGB also nicht. Zum Beispiel ist es kein Widerstand, wenn du dich bei einer Sitzblockade von der Polizei als Paket (sitzend) wegtragen lasst, ohne dich dabei besonders zu wehren oder, wenn du einer Aufforderung, aufzustehen, nicht nachkommst. Auch, wenn du einfach weg rennst, ist das kein Widerstand (Kann aber dazu führen, dass du Bekanntschaft mit dem Schlagstock machst). Anders war es bisher, wenn du z.B. beim Wegtragen nach Polizisten getreten oder dich gewaltsam losgerissen hattest. Im Gesetzestext steht „wer mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet“ – so kann zum Beispiel ein Sich-gegen-die-Laufrichtung-stemmen darunter fallen. Auch beim Anketten oder Unterhaken ist es schon zum Vorwurf des Widerstands gekommen.

Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte § 114 StGB 

Dieser Vorwurf wurde 2017 neu geregelt. Der Teil des tätlichen Angriffs wurde aus dem Gesetzestext des §113 StGB heraus genommen und als neuer Straftatbestand in einem eigenen Paragraphen mit einem eigenen (deutlich höheren) Mindest-Strafmaß von drei Monaten geregelt. Als tätlicher Angriff kann jede vermeintlich gewaltsame Bewegung in Richtung des anderen Körpers, z.B. ein Schubsen, Schlagen oder Treten gewertet werden. Zu Schmerzen oder einer Verletzung muss es dabei weder für § 113 StGB noch für §114 StGB kommen, um den Tatbestand zu erfüllen. Für solche „Angriffe“ sollen jetzt mindestens dreimonatige Bewahrungs- oder Gefängnisstrafen verhängt werden. In der nachfolgenden Praxis bis Ende 2018 wurde bei dem Vorwurf deutlich häufiger Untersuchungshaft verhängt, als dies bisher üblich war, meist vor allem für Menschen mit Wohnsitz im Ausland. Wenn der Vorwurf als erwiesen angesehen wird, kommen meist Bewährungsstrafen heraus. Das heißt, dass du besonders beim Durchfließen von Polizeiketten oder bei anderen Situationen, in denen du Polizist*innen sehr nahe kommst, darauf achten solltest, welche Bewegungen du in Richtung der Körper von Polizist*innen ausführst und überlegst, ob du das wirklich willst.

Landfriedensbruch § 125 StGB 

Landfriedensbruch ist der juristische Begriff für so etwas wie „Krawall“, „riot“ usw. Um diesen Vorwurf vor Gericht halten zu können, muss dir nachgewiesen werden können, dass du dich innerhalb einer Gruppe gewaltsam gegen Menschen oder Dinge verhalten hast oder solche Handlungen der Menschenmenge unterstützt hast.

Für alle drei Vorwürfe gibt es auch jeweils im Gesetz gesondert ausgewiesene “besonders schwere Fälle“, die auch mit einer Mindest-Strafe von sechs Monaten deutlich härter bestraft werden (§ 113 Abs. 2 StGB).

Dabei sind besonders relevant:
Das gemeinschaftliche Begehen: Sobald du zu zweit an dem Delikt beteiligt bist (z.B. zu zweit schubst), kann das als gemeinschaftliches Begehen ausgelegt werden.Das Mitführen von Waffen oder gefährlichen Gegenständen: Wenn du beim (vermeintlichen) Begehen des Delikts Waffen oder andere gefährliche Gegenstände lediglich bei dir hast. Als gefährlicher Gegenstand kann so ziemlich alles gelten, was Verletzungen hervorrufen kann: Schuhe, Bleistifte, Brotmesser, Nagelschere… Neu ist hierbei, dass seit der Gesetzesverschärfung im Mai 2017 bereits das alleinige Mitführen strafbar ist. Vorher war die Strafbarkeit auf eine Verwendungsabsicht beschränkt – es musste dir also nachgewiesen werden, dass du den Gegenstand als Waffe gebrauchen wolltest, jetzt nicht mehr. Wir empfehlen dir daher, sehr genau zu überlegen, was du in eine Aktion mitnimmst, und vorher dein Gepäck immer noch einmal zu kontrollieren.

Der § 113 StGB wird von der Polizei häufig genutzt, um sich selbst der Strafverfolgung im Falle von Polizeigewalt zu entziehen. Es ist gängige Praxis, dass du eine Anzeige wegen Widerstands kassierst, wenn du eine Polizist*in anzeigst. Da der Vorwurf des Widerstands in solchen Fällen einzig und allein auf den Aussagen von der Polizei beruht, haben sie damit ein großes Druckmittel. Es ist auch keine Seltenheit, dass mehrere Polizeizeugen ihre Aussagen absprechen und sich somit gegenseitig schützen. Gleichzeitig werden fast alle Verfahren gegen Polizist*innen eingestellt. Das heißt, du hast leider nur sehr wenig juristische Handhabe gegen prügelnde Polizist*innen. Wir sagen das nicht, um dich abzuschrecken oder von Aktionen abzuhalten. Wir wollen aber, dass du nicht auf einen Rechtsstaat vertraust, der dich in dieser Situation im Stich lassen wird.

Die unangemeldete Versammlung

Die Leitung einer unangemeldeten Versammlung ist eine Straftat (§ 26 VersG Versammlungsgesetz). Die Teilnahme an einer unangemeldeten Versammlung ist jedoch nicht strafbar. Wenn du bleibst, obwohl die Polizei die Versammlung formal aufgelöst hat, ist das eine Ordnungswidrigkeit (§ 7 und § 8 VersG). Achtet also als Gruppe bei unangemeldeten Versammlungen immer darauf, dass keine Person eindeutig als Leiter*in zu erkennen ist (z.B. nicht ein Mensch alle Durchsagen macht oder allein mit der Polizei spricht). Wechselt euch bei Rollen, die als Leitung interpretiert werden könnten, ab. Die meisten eingeleiteten Verfahren wegen der Leitung einer unangemeldeten Versammlung verlaufen im Sande. Wenn es doch zu einer Verurteilung kommt, liegt die meist im Geldstrafenbereich (§ 26 VersG Kapitel 4).

Auch unangemeldete Versammlungen unterliegen der Versammlungsfreiheit und sind erst mal geschützt. Sie dürfen nicht aufgelöst werden, so lange sie friedlich sind. Wie immer heißt das natürlich nicht, dass die Polizei sich in jedem Fall daran hält. Eine Versammlung kann allerdings ohne Einverständnis des Eigentümers nicht auf Privatgelände stattfinden. Es gibt Ausnahmen (z.B. wenn der Eigentümer überwiegend in öffentlichem Besitz ist, z.B. Flughafen oder Bahnhöfe).

Die Polizei darf Versammlungen nur bei konkreter Gefahrenlage filmen. Wenn sie das also ohne erkennbare Gründe tut, macht sie darauf aufmerksam, dass sie das doch bitte unterlassen soll (§ 12a VersG).

Vermummung / Passivbewaffnung

Vermummung auf Demos ist verboten, wenn sie dazu dient, sich gegenüber der Polizei unkenntlich zu machen. (§ 17a VersG) Es gibt aber auch andere Gründe, warum mensch z.B. Staubmasken benutzt – etwa, um sich gegen Autoabgase oder Feinstaub zu schützen. Sogenannte „Schutzwaffen“ oder „Passivbewaffnung“ sind verboten. Darunter fallen alle Sachen, die vor Maßnahmen der Polizei schützen (z.B. Polsterungen, Schutzhelme). Die Auslegung davon ist recht unterschiedlich, aber oft zu unseren Ungunsten (§ 17a VersG). Ein Verstoß gegen das Vermummungs- oder Passivbewaffnungsverbot ist eine Straftat, die, wenn sie verfolgt wird, zu einer Geldstrafe oder einem Gerichtsverfahren führen kann.

Personenkontrolle und Personalienfeststellung

Personenkontrolle: Außerhalb einer ordentlichen Versammlung darf die Polizei dich anhalten, nach deinen Personalien fragen und deinen Ausweis verlangen.

Personalienfeststellung:

  • Kann im Grunde ohne weitere Begründung durchgeführt werden, bei ordentlichen Versammlungen erst möglich nach deren Auflösung. 
  • Findet im Zuge einer Ingewahrsamnahme oft, im Zuge einer Festnahme immer statt.
  • Gegenüber der Polizei müssen nur Angaben gemacht werden, die auch auf dem Personalausweis stehen:
  • Name, Vorname, ggf. Geburtsname 
  • (Melde-)Adresse 
  • Geburtsdatum und -ort 
  • Bei Beschlagnahmung von Gegenstanden lass dir ein Verzeichnis geben. Unterschreibe nichts! Lass dich nicht auf einen Plausch ein! Alles, was du erzählst, kann später gegen dich oder andere verwendet werden.
Platzverweis / Aufenthaltsverbot

Polizei kann „zur Abwehr einer Gefahr“ eine Person vorübergehend für einen bestimmten Zeitraum von einem Ort verweisen. 
Die Maßnahme muss der Verhütung von Straftaten dienen, wobei eine konkrete Gefahr bestehen muss und Tatsachen die Annahme rechtfertigen müssen, dass eine Person in einem bestimmten örtlichen Bereich innerhalb einer Gemeinde eine Straftat begehen wird. Das ist das einzig zulässige Ziel. 
Die auf Tatsachen gestützte Erwartung der Begehung geringfügiger Taten reicht nicht aus, um ein Aufenthaltsverbot anzuordnen. Dies folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 
Der räumliche und zeitliche Geltungsbereich muss exakt angegeben werden. Es dürfen keine so genannten „Allgemeinverfügungen“, z.B. gegen Demonstrant*innen oder etwa den “schwarzen Block” erlassen werden. Platzverweis darf die Teilnahme an einer angemeldeten Versammlung (Kundgebung, Demo) nicht behindern! Platzverweise können auch bei einer Behinderung von Polizei- und Rettungseinsätzen ausgesprochen werden, Feuerwehr und Rettungsdienst sollten auch daher nicht behindert werden. Je nach Bundesland kann die Polizeibehörde zur Durchsetzung ein Zwangsgeld anordnen bzw. bei Verstoß ein Bußgeld verhängen. Ingewahrsamnahme ist möglich, wenn dies “unerlässlich” ist, um ein Platzverbot durchzusetzen. Ein Platzverbot ist auf 24 Stunden beschränkt, Aufenthaltsverbote können bis zu mehreren Monaten gelten. Es ist sinnvoll, gegen Aufenthaltsverbote in Rücksprache mit EA/Rechtshilfegruppe/ Anwalt*in Widerspruch einzulegen.

Versammlungsverbot

Versammlungsverbote sind keine Betretungs- oder Befahrungsverbote, auch wenn die Polizei das manchmal meint! Auch der Weg zu einer bestätigten Versammlung durch die Verbotszone darf von Polizei nicht versperrt werden.

2. Vor der Aktion

  • Diskutiert in euren Bezugsgruppen, ob ihr Personalien angeben oder verweigern möchtet und informiert euch vorher in der Aktionsvorbereitung bzw. beim Legal Team über die möglichen Konsequenzen. Sprecht darüber, welche Grenzen ihr habt und welche Risiken ihr eingehen möchtet. Überlegt, wie ihr die Folgen eines längeren Gewahrsams gemeinsam bewältigt.
  • Wenn du deine ID verweigern willst, erzeuge dir über unseren EA-ID-Generator eine anonyme ID-Nummer. Diese teilst du im Fall deiner Ingewahrsamnahme dem EA mit, um eine anonyme Zuordnung deines Falls zu ermöglichen.
ID-Verweigerung

Vorteile

  • Solidarität mit Menschen ohne Papiere oder Aufenthaltserlaubnis, mit ausländischem Pass oder mit offenen Haftbefehlen.
  • Verhindert eine schnelle Abarbeitung durch die Polizei und verursacht erheblich mehr Aufwand.
  • Weniger Möglichkeiten für Unterlassungserklärungen oder Strafverfahren im Nachhinein. Dies gilt aber nur so lange, wie es noch keine Verbindung von Fingerabdrücken und Fotos zu deinem Namen gibt (z.B. aus früheren Kontrollen) und die Polizei es nicht anderweitig schafft, deine Identität zu ermitteln. 

Nachteile 

  • Schwieriger, offen zur Aktion zu stehen 
  • möglicherweise Beleidigungen, Demütigungen, wenn es schlimm kommt auch körperliche Übergriffe auf der Polizeistation
  • Risiko von Untersuchungshaft bei geringfügigen Tatvorwürfen
  • Polizeigewahrsam zur Feststellung der Identität kann länger dauern
  • Erschwerte Solidaritätsarbeit (z.B. wenn Menschen aus Angst, erkannt zu werden, nicht zu Prozessen kommen)
  • Sollte die Identität dennoch festgestellt bzw. vermutet werden (z.B. durch Fotoabgleich, gefundener Versicherungskarte, Erkennen durch andere Polizist*innen o.ä.) ist die Verhängung eines zusätzlichen Bußgelds für die Identitätsverweigerung möglich. (§ 111 Ordnungswidrigkeitengesetz).
  • Ungewissheit: Eine Garantie, dass die Polizei deine Daten nicht herausfindet, gibt es nicht.
  • Das Risiko einer ED-Behandlung ist höher

ED-Behandlung 

  • Eine ED-Behandlung ist eine Maßnahme zur Erfassung personenbezogener, biometrischer Daten.
  • Das können Fingerabdrücke, Fotos (auch von Muttermalen, Narben und Tattoos!) sein.
  • Mach keine Angaben zu sonstigen körperlichen Merkmalen (Tattoos, Narben etc.) 
  • Du hast keine rechtliche Möglichkeit, die ED-Behandlung zu verhindern, aber bleib souverän und lass dir nichts gefallen! Arbeite nicht aktiv mit, indem du z.B. die Kleidung wechselst oder vor der Kamera auf und ab läufst.
  • Trotzdem solltest du in jedem Fall Widerspruch gegen die ED-Behandlung einlegen.
  • Achte darauf, dass dein Widerspruch zu Protokoll genommen wird.
  • Nichts unterschreiben!
  • Wenn wichtige Sachen organisiert werden müssen bei längeren Festnahmen, informiere dich beim Legal Team (z.B auf Kinder oder Tiere aufpassen, lebensnotwendige Medikamente). Packe deine Aktionstasche: Wasser, Stift, Papier, Stadtplan, Kleingeld. Keine Gegenstände die als Waffen interpretiert werden können. Bei Personalienverweigerung lass den Perso bei einer Vertrauensperson (der von der Person notfalls zur GeSa/ Wache gebracht werden kann) und nimm auch sonst nichts mit was dich identifizieren könnte.

3. Während der Aktion

a. Unterwegs
Durchsuchungen

Oft reicht es der Polizei nicht, deine Personalien zu kennen. Sie will mal in die Ta-schen gucken oder dich abtasten, z. B. nach gefährlichen Gegenständen. Bei Verdacht auf Straftaten basiert das auf der entsprechenden Ermächtigung in § 102 StPO, aberauch im präventiven Polizeirecht sind Durchsuchungen unter den Voraussetzungen des§ 12 BbgPolG (wenn du deine Identität nicht angibst) oder in weiteren Fällen gem.§ 21 BbgPolG möglich.

Handlungsmöglichkeiten

  • Vor der Aktion und Fahrt aufs Camp genau überlegen, was du mitnimmst und was nicht (z. B. bei Messern, Vermummungsmaterial, Pyrotechnik, Handys, Drogen).
  • Theatralisches Entleeren der Taschen, Rucksack usw. als Art Modenschau (»was haben wir denn hier? Ahhh… mal dran riechen…« usw.: Nicht verboten, Polizeikönnte aber ärgerlich werden (was nicht stören muss). Schafft Chancen, irgendwasnicht zu zeigen oder verschwinden zu lassen.
  • Irgendetwas kleines, unbedeutendes rausnehmen, erschrocken spielen und das Ding ins Gebüsch oder Mülleimer werfen… Polizei springt dem vielleicht hinterher (schafft wiederum Chancen, irgendwas wichtiges nicht zu zeigen oder verschwinden zu lassen)
  • Wie bei vielen Polizeimaßnahmen: Widerspruch einlegen! Dazu einfach sagen und fordern, dass euer Widerspruch notiert wird, am besten in Anwesenheit von Zeug*innen und auch selbst so schnell wie möglich die konkreten Begründungen und Formulierungen der Polizei schriftlich festhalten, soweit ihr euch hinterher noch erinnern könnt.
Räumung

Du sitzt (oder stehst) auf einer Blockade, auf dem Kohlebagger, in einer Waldbesetzung, im Tagebau, auf Schienen oder einer Straße. Irgendwann kommt dann meistens der Punkt, an dem die Polizei das nicht länger toleriert und anfängt, das Gelände zu räumen. Theoretisch muss sie vor einer Räumung, wenn es sich um eine Versammlung handelt die Versammlung auflösen, euch auffordern, euch zu entfernen und darf erst dann räumen. Das heißt aber nicht, dass du dich darauf verlassen kannst, dass sie das immer so tun.

Zu beachten / nützlich zu wissen:

  • Das Nichtentfernen von einer aufgelösten Versammlungist gem.§ 29 VersammlG eine Ordnungswidrigkeit. Wenn Polizei und Staatsanwaltschaftsonst nichts finden, kann es sein, dass du später deshalb einen Bußgeldbescheid bekommst.
  • Bei einer Räumung gibt es unterschiedliche Möglichkeiten sich zu verhalten. Grundsätzlich ist alles passive Verhalten (z. B. sich wegtragen lassen) keine Straftat.Wenn du die Polizei jedoch bei der Räumung (versehentlich) trittst oder schlägst, kann das schon als tätlicher Angriff gewertet werden (→§ 114 StGB). Nach derVerschärfung des Strafgesetzes 2017 stehen dabei sofort Bewährungsstrafen im Raum.
  • Bei Räumungen geht die Polizei unterschiedlich brutal vor. Manchmal werden Menschen nur weggetragen, manchmal wird mit Schmerzgriffen gearbeitet. Achte auf andere, auf Verletzte und auf Leute, die von der Polizei woanders hingebrachtwerden.
  • Nach einer Räumung kannst du an den Rand des Gebietes gebracht oder in Gewahrsam genommen werden. Wenn du nur an die Seite gebracht wirst, kannst du überlegen, ob du nicht an anderer Stelle wieder blockierst.
  • Personalienfeststellungen folgen oft, aber nicht immer.
Im Kessel

Der Kessel ist eine häufige Polizeimaßnahme in Deutschland. Dabei umstellt die Polizei eine Personengruppe, um diese an einem Ort festzuhalten. Das kann nur vorübergehend sein und dient oft zur Durchsetzung weiterer Polizeimaßnahmen, z. B. Personalienkontrollen, oder zur einzelnen Abarbeitung der eingekesselten Personen. Juristisch handeltes sich dabei entweder um eine Ingewahrsamnahme (wenn es präventiv zur Verhinderungvon Aktionen geschieht) oder um eine Festnahme (zur Strafverfolgung).

Handlungsmöglichkeiten

  • Organisiert euch im Kessel. Versucht von der Polizei herauszubekommen, was mit euch passieren soll (ohne denen zu sagen, was ihr gemacht oder nicht gemacht habt) und ruft heimlich das Legal Team an oder schickt eine SMS, solange ihr einHandy im Kessel habt. Sprecht eure Handlungsoptionen ab.
  • Wenn ihr einzeln herausgeführt werden sollt, könnt ihr überlegen, ob und wie ihr der Polizei eine einfache Abarbeitung erschwert (z. B. um die Polizeikräfte davonabzuhalten, woanders andere Menschen einzusperren).
  • Das kann sein, indem ihr alle darauf besteht, als erstes dran zu kommen, euch gegenseitig vordrängelt oder alternativ immer die Person hinter euch versteckt, welche die Polizei gerade haben will oder euch hinzusetzen oder zu legen, wenn sie euch wegführen wollen.
  • Sinnvoll kann es auch sein, nicht auf die Forderungen der Polizei (z. B. dass sie verlangen, dass erst alle zu ihnen kommen, die ihre Personalausweise dabei haben) einzugehen, sondern möglichst viel Durcheinander zu erzeugen.
b. Bei der Polizei

Die Polizei darf dich aus drei Gründen mitnehmen:

  • Zur Feststellung deiner Identität
  • zur präventiven Ingewahrsamnahme (wenn sie also konkrete Gründe hat, dass du noch irgendetwas Verbotenes tun könntest oder, wenn du einem Platzverweis nicht nachgekommen bist) oder
  • zur Strafverfolgung, wenn sie dir etwas Konkretes vorwerfen, was du getan haben sollst. Das heißt dann Festnahme und ist in § 127 Strafprozessordnung geregelt.

Basierend auf dem konkreten Grund, darf die Polizei unterschiedliche Dinge tun. Also frag sie ruhig, weshalb sie dich mitnehmen und was sie dir konkret vorwerfen.

Vernehmung? Aussage verweigern!

Wenn du mitgenommen wirst, weil dir eine Straftat vorgeworfen wird, kann es sein, dass Polizist*innen sofort versuchen, dich zu vernehmen. Du darfst und solltest dabei die Aussage unbedingt immer verweigern.

Zu beachten / nützlich zu wissen:

  • Eigentlich sucht die Polizei immer nach Informationen – sei es zum konkreten Ablauf einer Aktion oder zu Strukturen in politischen Bewegungen. Dafür gibt es in den Kriminalabteilungen größerer Polizeistrukturen eine eigene Abteilung für politisch motivierte Kriminalität.
  • Keine Aussage machen! Auch dich entlastende Aussagen sind gefährlich, zum Beispiel für andere ebenfalls verdächtige Personen. Wenn du wirklich irgendwann etwas zur Sache aussagen willst, ist es schlauer, das in Ruhe zu überlegen und mit anderen abzusprechen, statt das direkt auf der Polizeistation zu machen (auch wenn die Polizei gerne anderes behauptet). Einige Tage Abstand nach der Aktion und eine rechtliche Beratung solltest du dir in jedem Fall immer nehmen, bevor duirgendetwas Inhaltliches mit der Polizei besprichst.

Aussage verweigern! Ja, aber was ist eine Aussage? Aussage ist alles, mit dem du eine Angabe zu dir, zu Sachverhalten oder zu anderen machst. Wenn du also gefragtwirst, ob du in der Nacht dort und dort warst, ist »Nein« eine Aussage. Weil du ihnen etwas mitteilst über dich. Die Antwort kann wahr oder falsch sein, aber sie ist eine Aussage. Keine Aussage wäre bei der gleichen Frage: »Haben wir etwas miteinander oder warum interessieren Sie sich, wo ich meine Nächte verbringe?« Das bedarf einiger Übung. Leichter ist deshalb konsequentes Schweigen, ein Lied singen, Gedichte vortragen, eine theatralische Darbietung mit einer bestimmten Rolle spielen, nerviges Nachfragen, was so eine Uniform kostet usw. (mensch denke an die Clowns Army– das geht auch auf der Polizeistation oder im Polizeiwagen!).

Am besten ist es, wenn du vorher mal in Rollenspielen ausprobierst, was am besten zu dir passt. Achtet bei solchen Übungen gegenseitig drauf, wann ihr versehentlich Aussagen macht. Du musst auch nichts unterschreiben (auch wenn die Polizei Gegenteiliges behauptet). Das gilt auch bei jeder Unterschrift, die sie dir auf der Polizeiwache abringen wollen. Unterschreibe NICHTS! Wenn sie sich nicht zufrieden geben, ist auch eine Möglichkeit so etwas wie »Polizei abschaffen« ins Unterschriftenfeld zu kritzeln (es sollte nur keine Beleidigung sein). Eine Befragung muss auch nicht in einem Verhörraum stattfinden, sondern kann auch informell zum Beispiel bei einer Autofahrt zur Polizeiwache passieren. Deshalb überlege immer, was du sagst und lass dich nicht provozieren.

Erkennungsdienstliche Behandlung (ED-Behandlung)

Die ED-Behandlung wird meistens im Zuge einer Ingewahrsamnahme auf Polizeirevieren oder in Gefangenensammelstellen (GeSa) durchgeführt und richtet sich nach § 13 BbgPolGoder § 81b StPO. Es kann aber auch anders laufen: Bei einigen Ende Gelände-Aktionen im Rheinland etwa wurde, vermutlich aus Kapazitätsgründen, bei den meisten Teilnehmenden, die ihre Personalien verweigerten, eine abgespeckte Variante durchgeführt. Dabei wurde im Anschluss an eine Durchsuchung des Körpers nach möglichen Ausweispapieren nur ein Foto gemacht.

Inzwischen hat die Polizei aber meist auch mobile Fingerabdruckscanner, mit der sie unterwegs überprüfen kann, ob sie eine Person (möglicherweise anonym) zum wiederholten Mal vor sich hat. Die ED-Behandlung beinhaltet normalerweise Fotoaufnahmen von dir, das Nehmen von Fingerabdrücken, das Messen der Größe und Festhalten äußererMerkmale wie Tattoos. Der Umgang mit ED-Behandlungen durch die Betroffenen ist sehr unterschiedlich. Manche kooperieren, andere wehren sich physisch gegen die Maßnahmen.Tatsächlich ist es schwierig, euch zu messen oder zu fotografieren, wenn ihr nicht kooperiert, den Kopf senkt, die Augen schließt, das Gesicht verzerrt, euch krümmt, die Hand vom Fingerabdruckformular wegzieht, die Fingerkuppen vorher mit Zerkratzen und Se-kundenkleber unkenntlich gemacht habt etc. Insbesondere bei Massenaktionen kann das den Aufwand für eine erfolgreiche ED-Behandlung aller Beteiligten erheblich vergrößern und auf Seiten der Polizei zum entnervten Aufgeben führen. Es kann allerdings auch zurAnwendung von Schmerzgriffen durch die Uniformierten oder weiteren Strafvorwürfen wie Widerstand führen. Du kannst auch Widerspruch gegen die Maßnahme einlegen (direkt oder im Nachhinein). Gerade wenn du deine Personalien angegeben hast, kann dann ein Vorgehen gegen die Speicherung der Fingerabdrücke im Nachhinein leichter werden.

DNA-Entnahme

Die DNA-Entnahme darf nur nach einem richterlichem Beschluss oder wenn du eine schriftliche Einwilligung gegeben hast (die solltest du nie geben, egal, was sie euch androhen) durchgeführt werden (→§ 81g StPO). Wenn sie dir eine DNA-Entnahme androhen, bestehe also darauf, ein Telefonat mit dem Legal Team und einer Anwält*in zu führen und bestehe dann auch darauf, den Gerichtsbeschluss vorgelegt zu bekommen.Ob du dich trotz Beschluss gegen die Entnahme wehrst, musst du ähnlich wie bei der ED-Behandlung selbst entscheiden.

Einbehalten von Gegenständen

Die Polizei darf nur Sachen behalten, die z. B. zur Begehung von Straftaten verwendet wurden oder dafür verwendet werden sollen; deine persönlichen Sachen, Geld etc. gehören nicht dazu (→§§ 94 und 98 StPO).

Zu beachten / nützlich zu wissen

  • Du kannst auf ein Beschlagnahmeprotokoll bestehen, das die Polizei dir aushändigt und auf dem genau notiert ist, was sie dir weggenommen haben. Das funktioniert relativ oft (manchmal auch anonym), insbesondere wenn sie dir Sachen dauerhaft und nicht nur für die Zeit des Gewahrsams wegnehmen wollen. In dem Protokoll sollte auch die rechtliche Grundlage der Beschlagnahmung stehen (Gefahrenabwehr oder Strafprozessordnung, d. h. Strafverfolgung).
  • Falls sie die Sachen trotz aller Bemühungen nicht rausgeben, ist es wichtig, dass du Dokumente hast, mit denen du im Nachhinein nachweisen kannst, dass die Gegenstände dir gehören (z. B. Kaufbelege für eine teure Kamera o.ä.). Falls du deine Personalien verweigert hast (s.o.), wären nicht-personalisierte Kaufbelege praktisch, da dann auch andere für dich später die Sachen abholen können und deine Anonymität nicht an der Abholung von Gegenständen scheitert.
  • Versuch am besten, gerade nicht offiziell beschlagnahmten Sachen möglichst direkt wieder zu bekommen. Ein nachträgliches Kümmern ist meist mehr Aufwand.
  • In der Regel bekommst du Sachen, die zur Gefahrenabwehr beschlagnahmt wurden, nach Ende der Aktion wieder. Dinge, die zur Strafverfolgung beschlagnahmt wurden, gibt es oft erst am Ende des Gerichtsprozesses wieder.
  • Wenn du Widerspruch einlegst, muss innerhalb von drei Tagen ein Gericht über die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahmung entscheiden.
  • Wenn du anonym bleibst, ist es schwieriger, Sachen wieder zu bekommen und klappt nicht immer.
  • Mehr Tipps zum Wiedererlangen von beschlagnahmten Sachen findest du auf der Homepage von AntiRRR (→Hilfe, die Polizei hat meine Sachen geklaut)
Gewahrsam und Verhaftung

In den vergangenen Jahren ist es bei anderen Klima-Aktionen wie beispielsweise Ende Gelände immer wieder zu Einkesselungen und längeren Festnahmen gekommen. Für die Polizei sind das gern genutzte Mittel, um Menschen einzuschüchtern und Druck aufzubauen. In Behördenkreisen gibt es deshalb auch so bescheuerte Sprichwörter wie »U-Haft schafft Rechtskraft«, mit dem das verbotene Ziel ausgedrückt wird, durch eine Inhaftierung möglichst ein Geständnis der festgehaltenen Person zu erpressen (danach würde die Person dann freigelassen).

Weil eine Festnahme und das damit verbundene Gefühl des Ausgeliefertseins zum Glück nicht alltäglich sind, stehen die Betroffenen einer Ausnahmesituation gegenüber. Umso wichtiger, dass du deine Rechte kennst und auch einforderst. Mach dir klar: In der Rechtsordnung zählen Festnahmen richtigerweise zu den schwerwiegendsten Grundrechtseingriffen. Dementsprechend dürfen sie nur so lange andauern, wie sie für den von der Behörde angegeben Zweck (die Verfahrenssicherung!) unbedingt erforderlich sind, nicht länger (vgl. auch § 20 BbgPolG und § 163c Abs. 1 StPO).

Du hast das Recht auf ein erfolgreiches Telefonat: Ruf den EA an (s. unten). Bestehe auf deinem Recht zu telefonieren!

Gleichzeitig bedeuten Festnahmen für die Behörden einen ganz erheblichen Aufwand: Die festgehaltenen Personen müssen in Zellen untergebracht werden. Zudem müssen die Verfahren umgehend – also auch parallel – bearbeitet und entschieden werden. Je mehr Menschen in Gewahrsam, desto mehr Arbeit für die Polizei und das zuständige Amtsgericht. Oft sind nicht genügend Haftplätze vorhanden, die wenigen Sachbearbeiter*innen kommen nicht hinterher, die Gerichte sind in der Provinz minimal besetzt und können die Verfahren nicht richtig bearbeiten. Wenn du also mit der Situation einigermaßen zurechtkommst und ihr euch alle gegenseitig stützt, könnt ihr als Masse leicht Sand in dieses bürokratische Getriebe streuen, indem ihr die Abläufe allein durch die Anzahl der zu bearbeitenden Verfahren insgesamt erheblich verzögert.

Das ist hilfreich, weil es die Chance erhöht, dass die Behörden nach einigen Stunden aufgeben und mehr Menschen im Laufe der Zeit unbehelligt freigelassen werden. Es kann auch sinnvoll sein, wenn bewusst solche Festgenommenen, die in der Vergangenheit noch nicht registriert wurden, die Aufmerksamkeit der Polizist*innen mit Geblödel, Quatsch und dummen Fragen auf sich ziehen und von anderen ablenken. Denn wer schon in der Vergangenheit erfasst, aber nicht identifiziert wurde, bekommt möglicherweise mehr Probleme, weil die Polizei solche Personen besonders gerne identifizieren möchte. Gleiches gilt für Inhaftierte mit prekärem Aufenthaltsstatus. Sprecht euch untereinander ab und helft euch gegenseitig.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Abläufe bei der Polizei zu verlangsamen und damit zu erschweren, dass sie alle Fälle abgearbeitet bekommen. Mache alle körperlichen Bewegungen so langsam wie möglich: Gehe langsam zum Verhörzimmer, frag nach dem Sinn und Zweck jedes Papiers, das du unterschreiben sollst, lies dir dann alles fünfmal durch (und unterschreibe natürlich trotzdem nie etwas), frag alle Fragen, die dir so einfallen (ohne selbst je auf eine Frage der Polizei zu antworten), mache nichts ohne Aufforderung und dann alles ganz gemütlich bis widerwillig, frag nach Toilettengängen, auch wenn du nicht musst, frag nach Essen, nach Spielen, Rauchen, was auch immer. Allein so dauert die Bearbeitung eines jeden einzelnen Falls länger und nach einiger Zeit geben sie vielleicht schon deshalb auf, weil die Beamt*innen Feierabend machen wollen, bei der Staatsanwaltschaft und Gericht schon keine*r mehr arbeitet, die Aktion ohnehin vorbei ist und sie auch nicht wissen, was nun mit den ganzen namenlosen Menschen auf der Wache passieren soll.

Wer sich nicht identifiziert hat, wird möglicherweise länger bei der Polizei warten müssen. Wenn es aber gut geht und nichts dazwischenkommt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass nach der Freilassung noch was kommt, deutlich geringer. Generell gilt: Mache nur das, was für dich geht! Nicht jede Person ist nach einer langen Aktion und vielleicht anstrengenden Ingewahrsamnahme noch im Stande Dinge »mutwillig« zu verzögern. Das ist auch okay; setze dich selbst nicht zusätzlich unter Druck.

Die Polizei kann dich und deine Sachen durchsuchen. Das wird sie tun, um Hinweise auf deine Identität zu finden. Die Polizei kann dich auch durchsuchen, um verbotene Gegenstände bei dir am Körper zu finden. Dabei darf die Polizei theoretisch auch von dir fordern, dass du dich dazu nackt ausziehst. Dazu muss kein Arzt anwesend sein. Vollständiges Ausziehen ist aber nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn die Polizei konkrete Gründe für die Annahme hat, dass du verbotene Gegenstände bei dir trägst, die sie anders (z. B. durch Abtasten) nicht finden kann. Praktisch kommt es häufiger vor, dass die Polizei versucht, diese Maßnahme bei jeder in Gewahrsam befindlichen Person durchzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass dies keinesfalls als Standardvorgehen erfolgen darf, sondern immer eine genaue Abwägung und Begründung in jedem Einzelfall erfordert. Widersprich deshalb unbedingt der Aufforderung dich auszuziehen und versuche umstehende Beamt*Innen persönlich anzusprechen und um Unterstützung gegen diese rechtswidrige und unwürdige Behandlung zu bitten. Lass dir auf jeden Fall begründen, was die Polizei meint, nicht anders finden zu können. Solche entwürdigenden Untersuchungen müssten eigentlich eine seltene Ausnahme sein; dennoch berichten viele Menschen nach ihrer Freilassung davon. Stell dich also darauf ein, in diese Situation gebracht zu werden. Im Nachgang sollte dies unbedingt gerichtlich überprüft werden. Wie auch alle anderen Formen der Durchsuchungen (Abtasten etc.) ist das Ausziehen, nur in zwingenden Ausnahmefällen im Beisein von Personen des anderen biologischen Geschlechts zulässig (→§ 21 Abs. 3 BbgPolG).

Auch ist nicht auszuschließen, dass du auf der Polizeiwache mit Beleidigungen oder Schmerzgriffen (besonders bei der ED-Behandlung, siehe oben) konfrontiert wirst – sprich im Vorfeld in deiner Bezugs-/Aktionsgruppe über deine Ängste und Umgangsformen damit. Solltest du Erfahrungen auf der Polizeistation machen, die dich auch danach noch belasten, rede mit dem Out of Action-Team und/oder mit deinen Freund*innen, um mit diesen Erlebnissen nicht allein zu bleiben und sie besser zu verarbeiten.

Anruf beim Ermittlungsausschuss (EA)

Wirst du in Gewahrsam genommen, hast du das Recht auf ein erfolgreiches Telefonat: Ruf den EA an! Bestehe auf deinem Recht zu telefonieren!

Der EA macht Telefondienst, nimmt Festnahmen und Ingewahrsamnahmen auf, kümmert sich um Festgenommene, besorgt für sie wenn nötig Anwalt*innen, ermittelt Verbleib von Personen. Telefonnummer des EA wird vor und während der Aktion bekanntgegeben: Am besten auf den Unterarm mit wasserfestem Filzstift schreiben! Als Zeug*in einer Festnahme kannst du versuchen, den Namen (bzw. Aktionsnamen) der Festgenommenen zu erfahren und an den EA weiterzugeben; aber keine weiteren Angaben zu dir selbst (auch kein Name) oder zu Aktionen vor der Festnahme machen.

Zu diesen Punkten solltest du dem EA etwas sagen

  • Deinen Namen (nur wenn du deinen Klarnamen angeben willst! Sonst ein Pseudonym/Aktionsname oder eine EA-ID-Nummer [kannst du dir hier erzeugen])
  • Wo genau wirst du festgehalten?
  • Was wird dir vorgeworfen?
  • Sind noch mehr Menschen in Gewahrsam?
  • Brauchst du wichtige Medikamente? 

Dazu solltest du am Telefon NICHTS sagen

  • Was du wirklich getan oder nicht getan hast. 
  • Wie du heißt, wenn du das der Polizei noch nicht gesagt hast und deine Identität nicht preisgegeben möchtest.
  • Welche Personen sonst noch beteiligt waren, aber nicht in Gewahrsam sind.
Nach der Freilassung
  • Melde dich beim EA ab, wenn du wieder draußen bist oder die Kontrolle vorbei ist (auch wenn du vielleicht vorher nicht selbst angerufen hast).
  • Wenn du das Gefühl hast, von der Polizei misshandelt worden zu sein, oder das bei anderen gesehen hast, melde dich bei uns.
  • Bei Post nach der Aktion: Kontaktiere uns unter antirep@ambodenbleiben.de (PGP-Schlüssel)
  • Lege Einspruch ein, wenn es Fristen gibt (kann zurückgezogen werden)
  • Schreibe ggf. ein Gedächtnisprotokoll (sicher aufbewahren!).
    • Pro: Hilft bei der Verarbeitung, kann helfen Gerichtsverfahren vorzubereiten (Namen von eingesetzten Beamt*innen oder Einheiten und zeitliche Abläufe)
    • Contra: möglicherweise 1a Geständnis, daher unbedingt sicher aufbewahren. Hat vor Gericht keinerlei Beweiskraft!

Quellen

Der vorliegende Text beruht auf der Sand im Getriebe Rechtshilfebroschüre, der Ende Gelände Rechtshilfebroschüre, „Was tun wenn es brennt“ von der Roten Hilfe, Verhaltenstipps bei Demonstrationen des EA Frankfurt, sowie dem S4A Handbuch.

Große Teile sind zudem dieser Rechtshilfebroschüre entnommern, die im Rahmen der Ende Gelände Aktion 2019 in Brandenburg entstanden ist und einige spezifische Informationen zu den rechtlichen Gegebenheiten im Bundesland Brandenburg enthält.

Vielen Dank für eure Vorarbeit!