Billigflüge

 Was macht den Billigflug zum Bullshit-Flug?

“Ist doch schön, wenn auch Leute mit wenig Geld mal weiter weg reisen können…” – ist das so? 

Was daherkommt als eine „Demokratisierung des Fliegens“ (lt. M. O‘Leary, Chef von Ryanair), als Zugangs- und Teilhabemöglichkeit für Menschen auch mit schmalem Geldbeutel, entpuppt sich bei näherer Betrachtung wie Billigfleisch oder das T-shirt für 3€ als Ergebnis eines Unterbietungswettlaufs, Ausbeutung und fehlgeleiteter Steuer- bzw. Subventionspolitik. Wenn also Menschen, die unter beschissenen Arbeitsbedingungen arbeiten und sich zum Ausgleich dafür einmal im Jahr mit einer Billigairline einen Flug in den Süden gönnen [Karte B4], oder es Menschen dadurch möglich wird, regelmäßiger ihre im Ausland (bzw. beim sogenannten Migrationshintergrund: im “Herkunftsland”) lebende Familie oder Freund:innen zu sehen [B5], dann kann sich das für diese gerecht und verdient anfühlen. Global gesehen ist es das aber absolut nicht, sondern geschieht auf Kosten Anderer. 

Fliegen ist unter anderem deshalb so billig, weil es massiv subventioniert wird. Auf internationale Flüge wird keine Mehrwertsteuer erhoben und Kerosin wird trotz seiner Klimaschädlichkeit im Gegensatz zu anderen Treibstoffen nicht besteuert. Allein in Deutschland betragen die Steuersubventionen auf internationale Flüge jährlich rund zehn Milliarden Euro.

Eine weitere besondere Ungerechtigkeit von Billigflügen liegt in der Ausbeutung der bei den Billigairlines Beschäftigten: So erhalten die Pilot:innen bspw. bei Ryanair deutlich niedrigere Löhne und sind nicht angestellt, sondern als ‚Selbständige‘ über Zeitfirmen als Leiharbeiter vermittelt. Ryanair spart sich auf diese Weise die Kosten für deren Sozial- und Krankenversicherung und muss auch im Krankheitsfall keine Lohnfortzahlung übernehmen. Wenn die Pilot:innen also krank werden, bedeutet dies für sie einen Verdienstausfall – so dass viele Pilot:innen fliegen, obwohl sie krank sind, was für sie selbst eine große Belastung und für alle ein zusätzliches Sicherheitsrisiko darstellt. Bezahlt wird die reine Flugzeit, nicht aber die Zeit, die die Pilot:innen zur Vorbereitung brauchen. Pilot:innen wie auch Flugbegleiter:innen können je nach Bedarf in unbezahlten Urlaub geschickt oder mit jedem neuen Flugplan an einen neuen Standort verlegt werden.  

Auch wenn extrem billige Tickets, also Tickets unter 40€, weniger als 1% am Gesamtmarkt ausmachen, sind sie doch – unabhängig davon, ob von Billig- oder ‚regulären‘ Airlines angeboten – dadurch problematisch, dass sie Anreize für Flüge schaffen, auf die sonst auch gut verzichtet werden könnte. Aber wenn es so billig ist, warum dann nicht mal eben zum Sonnetanken nach Florida jetten [B3]? Damit geht ein Bewusstsein für die enormen Entfernungen, die zurückgelegt werden, sowie für die monetären und klimagerechtigkeitsbezogenen Kosten des Fliegens verloren und Fliegen wird einmal mehr zu einer „Normalität“, auf die viele Menschen im Globalen Norden ein Anrecht zu haben meinen. Dass die Lockangebote, mit denen die Konsument:innen auf die Websites der Billigairlines gelockt werden, sich dort häufig gar nicht wiederfinden lassen, und zudem für alle Extras wie Gepäck, Verpflegung an Bord etc. noch zusätzliche Kosten anfallen, scheint dann die meisten nicht mehr abzuschrecken, wenn erst einmal das ‚Bedürfnis‘ zu fliegen geweckt worden ist. 

Die Kosten für Billigflüge trägt die Allgemeinheit: Über die globalen Klimafolgen, über Lärm- und Schadstoffbelastung der Anwohner:innen in Flughafennähe. Über Staatshilfen für Fluggesellschaften. Über die Steuerbefreiung für Kerosin. Über steuerfinanzierte Subventionen der Flughafeninfrastruktur, insbesondere der Regionalflughäfen, von denen sich in Deutschland kein einziger selbst tragen könnte. Von diesen aus starten viele Billigflieger, auch wenn dies häufig mit deutlich längeren Anreisen zum Flughafen verbunden ist, was die vermeintliche Zeitersparnis des Fliegens insbesondere bei Kurzstrecken wieder deutlich relativiert.

Die (neue) Ampelkoalition hat nun die Diskussion über einen europaweiten Mindestpreis für Flugreisen in Gang gesetzt, im Raum stehen mindestens 40 € pro Ticket. Dieser Betrag ergibt sich aus der Forderung, dass Flugtickets nicht günstiger verkauft werden dürfen, als sie mit Steuern, Gebühren etc. eigentlich kosten müssten. Das soll die Reisenden animieren, auf andere, klimafreundlichere Verkehrsmittel umzusteigen. Schon werden kritische Rufe laut, dass dadurch die Auslastung der Flugzeuge zurückgehen und sich damit deren Klimabilanz verschlechtern würde, wegen des geringen Anteils von Billigflügen die Gesamtzahl der Flüge aber nicht wesentlich verändern würde.

Unsere Meinung dazu: Wo Biligflüge so gerechtfertigt werden, zementieren zudem die ‘Normalität’ des Fliegens, erschaffen Reisewünsche, sind Ausdruck unseres hypermobilen Lebensstils und gehören abgeschafft