“Sie haben das letzte Wort”

“Sie haben das letzte Wort”

“Sie haben das letzte Wort”

Über 50 Klima-Aktivist*innen werden seit über einem Jahr von DHL und Staatsanwaltschaft juristisch verfolgt. Anlass für die überzogenen Repressionen ist eine Aktion gegen den klimaschädlichen Flughafenausbau in Leipzig/Halle. Zum Vorwurf der Nötigung, sowie den extremen Schadensersatz-Forderungen von DHL gibt es noch keine Gerichtsurteile. Ende Januar wurde ein Angeklagter zum Vorwurf, er hätte seine Zelle beschädigt, freigesprochen. Grund für den Vorwurf: in der Zelle war ein eingeritzter feministischer Spruch aufgetaucht. Der Angeklagte beschrieb in seiner Rede vor Gericht die unwürdigen Bedingungen im Polizeigewahrsam. Angesichts dieser Geschichte ist der Freispruch eine große Erleichterung und Genugtuung. Über 50 solidarische Personen fanden sich im Gerichtssaal zusammen und zeigten, dass sie sich von der Repression nicht vereinzeln lassen.

Die weitere zivilrechtliche Auseinandersetzung wird sich vermutlich noch viele Monate hin ziehen. Am Boden bleiben solidarisiert sich mit allen Angeklagten im Cancel LEJ-Prozess und wird in den nächsten Monaten dabei helfen, sich gegen die Einschüchterungsversuche von DHL zu wehren. Im Folgenden dokumentieren wir die Rede des Aktivisten:.

Bevor ich beginne, möchte ich eine Inhaltswarnung aussprechen: Ich werde Details vom Aufenthalt in der GeSa (Gefangenensammelstelle) berichten.

Mitten in der Klimakrise soll der Flughafen von DHL ausgebaut werden. Heute schon ist er einer der klimaschädlichsten in ganz Europa. Vor Ort in Schkeuditz kämpfen Bürger*innen-Initiativen seit 2004 gegen den enormen Fluglärm und die Feinstaubbelastung. DHL zerstört unseren Lebensraum – sowohl auf globaler Ebene als auch direkt vor unserer Haustür.

In der Nacht zum Samstag, den 10.07.2021, haben sich 54 Klimaaktivistinnen am DHL-Hub am Flughafen Halle-Leipzig im Rahmen einer Kundgebung versammelt. Der Protest der Aktivistinnen richtete sich gegen die sächsische und europäische Infrastrukturpolitik, die die Klimakrise anheizt. Einer dieser 54 Aktivist*innen bin ich.

Die Forderungen des Protests 2021 sind heute so dringlich wie nie: Der Flughafen muss zurückgebaut werden. Er muss zurückgebaut werden, damit die Menschen in Schkeuditz gut leben können. Er muss zurück gebaut werden, weil er Profite für DHL erwirtschaftet – ohne die Mehrkosten für die Menschen im globalen Süden auszugleichen, die am meisten unter der Klimakrise leiden. Und er muss zurück gebaut werden damit er die ohnehin schon eskalierende Klimakrise nicht noch weiter befeuert!

Was ist in jener Nacht am 10.7. passiert? Wir saßen am DHL Hub, am Ort der Zerstörung – unsere Versammlung war angemeldet, die Lage war entspannt. Dann hat DHL sich eingemischt: DHL missbrauchte das Strafrecht, um die Kundgebung zu kriminalisieren und um eigene Schadensersatz-Forderungen durchzusetzen. Allen 54 Aktivist*innen wurde Nötigung vorgeworfen. Die Schadensersatz-Forderungen von DHL waren völlig aus der Luft gegriffen. Der Rest ist bekannt – die Polizei hat uns festgenommen und uns in der Gefangenensammelstelle festgehalten.

Was in jener Nacht und in den folgenden Tagen geschehen ist, ist ein Skandal. 54 Klimaaktivist*innen wurden das Wochenende über gefangen gehalten. Stundenlang durften einige von uns nicht auf die Toilette gehen, einige erhielten erst nach fast einem Tag eine unzureichende Mahlzeit. Das Licht war dauerhaft eingeschaltet, immer wieder wurde man von Beamten geweckt. Über 24 Stunden war ich in der Polizeimaßnahme, stundenlang in einer Einzelzelle. Mit alle diesen Repressalien wurde versucht, uns zu brechen.

Uns sollte zwangsweise Blut abgenommen werden. Als ich die Polizeiwache verließ, hörte ich die Schmerzensschreie und sah die Verletzung am Arm meines Zellennachbarn. Wie kann es sein, dass auf Veranlassung eines Großkonzerns mehr als 50 junge Menschen in ein Gefängnis gesperrt werden, das selbst nach Aussagen der Polizei nicht ansatzweise für eine solche Personenzahl ausgerichtet war?

Die heftigen Reaktionen auf unsere Kundgebung zeigen, dass wir einen Nerv getroffen haben. Man kann sich vorstellen, wie schnell der Draht von DHL ins sächsische Innenministerium ist. Wenn Profit-Maximierung bedroht ist, greift der Staat eben durch. Die Polizei erfüllt ihre Aufgabe, die Interessen des Kapitals durchzusetzen. So auch am 10.07.2021: Für Profite von Großkonzernen wird alles in kauf genommen, sogar die Zerstörung des Planeten.

Wir rasen mit Vollgas in die Klimakatastrophe. Und diejenigen, die noch Hoffnung haben, etwas dagegen zu tun, werden verfolgt und eingesperrt.

Warum wurde uns das angetan? Weil wir die Klimakrise stoppen wollen, werden wir misshandelt, eingesperrt und kriminalisiert? Die sächsische Polizei hat an diesem Wochenende ihr Bestes getan, um Klimaaktivismus zu verhindern und um die Profitinteressen von DHL zu schützen. Unsere Solidarität ist stärker als ihre Repression. Ich saß zwar in einer Einzelzelle, doch ein Spruch hallte durch die ganze Dimitroff-Wache – “Du bist nicht allein”.

Die Repression hatte das Ziel, uns einzuschüchtern. Aber sie hat ihr Gegenteil erreicht. Die vielen kreativen Aktionen, Adbustings, Demos in Verbundenheit mit dem Protest, die flammende Begeisterung vieler Menschen für CancelLEJ, und die Wut über den Wahnsinn des Flughafenausbaus und DHL: Unser Protest gegen den Flughafen hat bundesweit für hohe Aufmerksamkeit gesorgt. Über den Flughafen und die Schweinereien von DHL wird immer mehr gesprochen. Die Bürgerinnen aus Schkeuditz und alle Betroffenen von Fluglärm, die antimilitaristische Bürgerinitiative “Leipzig Bleibt Friedlich”, Antirassistinnen, die gegen die Abschiebungen von LEJ kämpfen und Klimaaktivistinnen weltweit. Ich habe mit vielen Arbeiterinnen von DHL gesprochen: die allermeisten stimmten zu: Einen Flughafen ausbauen, mitten in der Klimakrise – das macht keinen Sinn. Dass viele Leute aus der breiten Gesellschaft unsere Kritik teilen und am Protest teilnehmen, macht Mut und zeigt, was alles zu gewinnen ist.

Denn wir sind viele. Wir stehen zusammen mit den Menschen aus Schkeuditz und allen von Fluglärm Betroffenen, mit allen Antimilitarist*innen und vielen weiteren. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir werden weiter gegen die Klimakrise kämpfen und jede Aktion begrüßen. Wir werden uns vom Staat nicht in Gerichtsprozessen vereinzeln lassen, denn wir stehen zusammen. Dieser Gerichtssaal soll uns klein machen. Doch dieser Gerichtssaal ist für uns nur eine weitere Bühne für unseren Protest.

Mir als Angeklagter in diesem Prozess wird Sachbeschädigung vorgeworfen. Die Anzeige ist ein weiterer Einschüchterungsversuch. Doch die Klimabewegung lässt sich nicht einschüchtern. Wenige Tage nach der CancelLEJ-Kundgebung folgte die nächste Demonstration gegen den Flughafen. Diesen Sommer waren wieder hunderte Menschen am Flughafen und haben gegen den Ausbau protestiert.

Unabhängig davon, welches Urteil heute gefällt wird: Unrecht ist schon geschehen. Dass DHL für Profite unsere Umwelt zerstört, das ist Unrecht. Dass der Deutsche Staat und die sächsische Polizei zum Handlanger der Profitinteressen von DHL werden, das ist Unrecht. Dass Klima-Aktivist*innen tagelang festgehalten und eingesperrt werden, weil sie an einer angemeldete Kundgebung teilgenommen haben, das ist Unrecht! Dass uns kein Essen gegeben wurde, ist Unrecht. Dass wir in Unterwäsche in einer Zelle ausharren mussten, ist Unrecht. Dass wir belogen, eingeschüchtert, psychisch manipuliert wurden, ist Unrecht.

Unabhängig davon, welches Urteil heute gefällt wird: Unrecht ist schon geschehen.

Ich möchte gerne mit einem Zitat der Philosophin Bini Adamczak enden:

“Laut IPCC Bericht bleiben gerade noch drei Jahre, um die Klimaerhitzung abzuwenden, die danach unumkehrbar ist – sollen wir nicht für die nächsten drei Jahre alles, was wir sonst so machen, stehen und liegen lassen, um die Maschine anzuhalten?”

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